Monatsspruch Dezember

Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut. Matthäus 2,10

 

Leo Tolstoi erzählt von einem Herrscher, der Gott sehen wollte. Sämtliche Weisen seines Landes konnten ihm keinen Rat geben, wie er sich diesen Wunsch hätte erfüllen können. Doch da kam ein Hirte, der von der Idee des Königs gehört hatte. »König, erlaube mir, dir deinen Wunsch zu erfüllen.« »Gut«, entgegnete der König. »Aber für dich gilt das gleiche, wie für die anderen Weisen des Landes. Scheiterst du, bezahlst du mit dem Leben.« Der Hirte führte den König auf einen freien Platz und zeigte ihm die Sonne. »Sieh hin«, sagte er. Der König wagte einen kurzen Blick. »Willst du, dass ich erblinde?«, fuhr er den Hirten an. Der antwortete: »Aber König, dies ist doch nur ein Abglanz der Größe Gottes, ein kleines Fünkchen im Vergleich zu ihm. Du musst ihn mit anderen Augen suchen.«

Die Sonne ist der Stern in unmittelbarer Nähe der Erde. Deshalb blendet sie so stark, dass wir sie mit bloßem Auge nicht ansehen können. So geht es uns auch mit Gott. Der Stern von Bethlehem – vielleicht eine Konjunktion von Saturn und Jupiter – war gerade so, dass die Astrologen der damaligen Zeit ihn betrachten und über seine Botschaft sinnieren konnten. Doch um seine Botschaft zu verstehen, mussten sie die Lehrtätigkeit liegen lassen, die Bequemlichkeit der Paläste aufgeben, die Sicherheitszonen verlassen.

Was sie dann erlebten, überstieg ihre Vorstellungskraft: Ein Kind in der Krippe, in dem sie den König der Könige erkannten. Gott kommt zu uns – doch nicht aufdringlich. Er kommt – aber er blendet und verblendet nicht. Werden wir ihn sehen?

 

Pfarrer Tobias Frauenlob